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Transportmanagement

Donnerstag, 30. April 2020

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Fahrermangel oder kommt jetzt der Fahrerboom?

2016 prognostizierte die Unternehmensberatung Price­water­house­Coopers (PWC) ein Ende des Fahrermangels bis zum Jahr 2030 und stützte diese Annahme auf die bis dahin weite Verbreitung des autonomen Fahrens. PWC ging davon aus, dass künftig kaum noch Fahrer benötigt werden. Vier Jahre später steht fest: Der Bedarf an Fahrern wird auch durch das autonome Fahren kaum sinken. Dennoch könnte die neue Technologie helfen, den Fahrermangel nachhaltig zu beheben.

Ähnlich wie gewisse Viren kennt auch der Fahrermangel keine Landesgrenzen und wurde längst zum inter­na­tio­nalen Problem – ganz speziell innerhalb von Europa. Erst im März schlug die Inter­national Road Transport Union (IRU) Alarm. Der Weltverband der Straßen­transport­wirtschaft sagte voraus, dass der ohnehin schon große Fahrermangel im Jahr 2020 von 23 auf 36 Prozent weiter steil nach oben klettern werde. Das bedeutet, dass 36 Prozent aller Arbeitsplätze in diesem Bereich nicht besetzt werden können. Basis ist eine eigene Untersuchung unter kleinen und mittel­ständischen Transport­unternehmen in zehn europäischen Ländern.

Fahrermangel trotz sicherer Perspektive?

Als Lösungsansätze empfiehlt der Verband bessere Arbeitsbe­dingungen hinsichtlich Wartezeiten und Wasch­räumen, mehr Parkplätze sowie eine europaweit einheitliche Absenkung des Mindestalters für Berufs­kraftfahrer. Der letzte Vorschlag könnte besonders schnell wirken, denn damit vergrößert sich der Pool der potenziellen Bewerber auf einen Schlag. Um junge Menschen für das Truckerleben zu begeistern, muss man ihnen aber auch eine sichere Zukunftsperspektive geben. Die Diskussionen um das autonome Fahren wirken an dieser Stelle kontra­produktiv. Niemand möchte sein Leben auf einem Beruf aufbauen, den es in wenigen Jahren angeblich schon gar nicht mehr gibt.

Dabei sind die Befürchtungen, dass Fahrer bald überflüssig werden, völlig unbegründet. Die Luftfahrt bietet hier das beste Beispiel: Dort hat der Autopilot den Menschen nicht ersetzt. Pilot und Copilot werden auch in Zukunft in keiner Crew fehlen und Ähnliches gilt auch für den LKW. Der Fahrer hat schließlich mehrere Aufgaben, die weit über das eigentliche Lenken hinausgehen: Er ist Begleiter der ihm anvertrauten Güter und verantwortlich für die Übergabe an den Empfänger sowie für Transport- und Ladungssicherung. Zudem ist der Fahrer als direkter Ansprechpartner für den Kunden die Visitenkarte des Unternehmens und damit ein wichtiger Imagefaktor. Das autonome Fahren – wenn es denn kommt – stellt für den Beruf des Kraftfahrers also keine Gefahr dar.

Bild: iStock (welcomia)

Dank und Anerkennung

Auch die Corona-Krise könnte letztlich dazu beitragen, dass sich wieder mehr junge Männer und Frauen für den Beruf des Kraftfahrers interessieren. Schließlich gehört das Transportieren von Waren zu den systemrelevanten Tätigkeiten, die für die Wirtschaft absolut unverzichtbar sind. Berufskraftfahrer gehören zu denjenigen, die von der Gesellschaft derzeit großen Dank und Anerkennung empfangen. Und nicht zuletzt muss diese Zielgruppe keine Angst vor dem sozialen Abstieg haben – ihre Arbeitsplätze sind sicher und Kurzarbeit ist hier die Ausnahme.

Solche Werte stehen bei der Jugend wieder hoch im Kurs, was bis Dezember 2019 noch nicht der Fall war. Die in den 90er Jahren in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Bürger waren bisher verwöhnt vom langjährigen Aufschwung, einem üppigen Angebot an Ausbildungsplätzen, Fachkräftemangel und Job-Garantien. Die kommende Wirtschaftskrise wird diese Erfahrungswelt auf den Kopf stellen.

Technologiegestützte Logistikmanager

Als wahrscheinlich sicherer Arbeitsplatz könnte sich die Beliebtheit des Fahrerberufs also deutlich steigern. Hinzu kommt, dass sich das Berufsbild stark verändern und höhere Anforderungen an die techno­logische Kompetenz stellen wird. In Zukunft wird es zum Beispiel keine ausgedruckten Begleitpapiere mehr geben. Diese werden in allen Branchen durch digitale Lösungen ersetzt, die vom Fahrer bedient werden müssen. Elektronische Lieferscheine, Statusmeldungen, Abliefer­quittungen auf dem Display des Handhelds oder das Erfassen von Abholaufträgen direkt beim Kunden vor Ort werden zum Standard.

Zudem werden sich die Fahrer­assis­tenz­systeme immer stärker im LKW durchsetzen, womit sich die Aufgaben nochmals verändern und neue Chancen entstehen werden: Fahrer übernehmen die Rolle des techno­logie­gestützten Logistikmanagers, wodurch der Beruf attraktiv für technisch versierte Millennials wird. Das Fahren wird zur Nebensache, während sich der LKW über große Strecken­abschnitte vollautoma­tisiert bewegen wird.

In diesen Phasen hat der Fahrer Zeit für andere Tätigkeiten. Er könnte Aufgaben der Disposition oder des Kundenservice übernehmen und sich dabei vom Transport­management­system unterstützen lassen. Somit wird er nicht nur während der Be- und Entladung, sondern während der gesamten Tour ein integrierter Teil des digitalen Lieferprozesses.

Bild: iStock (gorodenkoff)

4 Gründe, warum der Fahrermangel schon bald überwunden werden könnte:

  • Steigende Imagewerte durch hohe Systemrelevanz für eine funktio­nierende Gesellschaft
  • Hohe Arbeitsplatz­sicher­heit spielt in Krisenzeiten eine zunehmende Rolle
  • Neue Technologien und Fahrassis­tenz­systeme schaffen Freiräume für zusätzliche Aufgaben und Kompetenzen, die weit über das Fahren hinausgehen
  • Autonomes Fahren wird den Berufskraftfahrer nur in Ausnahme­fällen ersetzen und sorgt für ein angeneh­meres Arbeitsumfeld sowie ein Plus an Sicherheit

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Fazit: Hoffnungsvolle Perspektive, den Fahrermangel zu lindern

Der Fahrermangel kann mittelfristig behoben werden, denn der Beruf wird durch techno­logische, wirtschaft­liche und gesell­schaftliche Faktoren an Beliebtheit und Image gewinnen. Als sicherer Arbeitsplatz mit hoher Systemrelevanz und anspruchs­vollen Zusatzaufgaben könnte er innerhalb der nächsten fünf Jahre sogar einen Boom erleben.